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Auerhaus - Dramatische Gratwanderung der Gefühle

von Michael Jaesrich

Am Montag den 7. November hatte das Stück „Auerhaus“ öffentliche Premiere. Die Mitglieder der Theater-AG hatten nahezu ein Jahr intensiver Proben hinter sich und waren mindestens so erwartungsfroh wie das Publikum.

Als Vorlage für das Stück diente der gleichnamige Erfolgsroman von Bov Bjerg. Der Autor beschreibt in seinem Werk eine Gruppe Jugendlicher, die auf der Schwäbischen Alb gemeinsam ein Haus beziehen und freies jugendliches WG-Leben austesten. Brisanz erfährt die Erzählung durch den Fakt, dass einer der Hausbewohner gerade einen Selbstmordversuch unternommen hat und die Gruppe das hehre Ziel entwickelt, weitere zu verhindern.

Die Wahl des Stoffes erfolgte 2015 eher zufällig durch einen Spiegelbericht über den Erfolgsroman. Die auffällige Parallele zwischen dem Namen der Regisseurin und dem Romantitel sei nicht ausschlaggebend für die Wahl des Stoffes gewesen. Vielmehr sprach die Handlung Martina Auer direkt an: „Schon nach wenigen Seiten der Lektüre war klar, daraus kann man etwas machen!“ Die 336 Seiten des Romans formte sie dann in mühevoller Arbeit in eine Bühnenfassung um, die sowohl den spielenden Schülerinnen und Schülern, als auch dem Publikum, einen sehr persönlichen Zugang ermöglicht: Die Lebenswelt dieser suchenden-versuchenden Jugendlichen gleicht in vielen Aspekten der unserer Schüler und Schülerinnen und Zuschauer fortgeschrittenen Alters erinnern sich sicher noch lebhaft an diese zerrissen Jahre.
Natürlich musste man einiges verändern, zuspitzen und wegkürzen, um das Werk bühnentauglich zu machen und so steht nun, anders als im Roman, mit Rike eine weibliche Figur im Kern des Stückes. Tiefgründige Fragen drängen sich dem Zuschauer bereits kurz nach Beginn des Stückes auf: Wie kann man die selbstmordgefährdete Freundin vor weiteren Suizidversuchen bewahren? Welche Rolle können die Freunde dabei spielen? Kann der freundlich-naive Versuch der Jugendlichen gelingen?
Was die Theater-AG ihrem Publikum hier, im wahrsten Sinne des Wortes, zu-Mut-et, ist schwerer Tobak. Doch genau das macht die Kraft des Stückes aus. Grundfragen menschlichen Zusammenlebens werden gestellt, Handlungsalternativen durchgespielt. Auch wenn das Publikum am Ende des Theaterabends nicht mit einem süßlich-milden Lächeln entlassen, sondern vielmehr geschockt, ob Rikes unvermeidbaren Todes, in die kalte Nacht des Ermstals gestoßen wird, „Auerhaus“ ist kein trauriges Stück. Viele fröhliche Momente des WG-Lebens verleiten zum Mitlachen und (innerlichen) Mitfeiern; wenn die Gruppe beispielsweise wieder einmal den selbstgekochten Spagetti frönt oder frei nach Alexis Sorbas, das Leben genießt. Der Grat zwischen Lachen und Weinen ist schmal an diesem Abend.

Eine solch komplexe Stimmungslage auf die Bühne zu bringen ist eine Herausforderung. Eine Herausforderung, der sich alle Schauspieler erfolgreich gestellt haben. Dass die lange Probephase Früchte getragen hat, wird auf der Bühne nur zu deutlich. Umrahmt vom meisterlich umgesetzten Bühnenbild (Fritz Schlenker), zeigen die Schauspieler unwahrscheinliche Authentizität. Sie gehen mit dem ganzen Körper in ihren Rollen auf, wechseln auf natürliche Weise in den schwäbischen Dialekt oder setzen Stimme und Gestik in beeindruckender Weise ein. Vor allem Lisa Müller und Nadine Bizu, die sich die Rolle der „Rike“ an verschiedenen Abenden teilen, ziehen die Zuschauer in ihren Bann. Wobei eine Hervorhebung einzelner Spieler eigentlich nicht möglich ist, denn das gesamte Ensemble agiert durchweg grandios. Vor Ellen Geml, Oliver Stärr, Luise Kleih, Katja Füllemann, und Michelle Kammer ist schlichtweg der Hut zu ziehen (auch wenn das an dieser Stelle auch nur literarisch erfolgen kann.). Die Liste der Beteiligten ist natürlich noch viel länger und auch wenn an dieser Stelle nicht alle Beteiligten persönlich genannt werden können, gebührt dem gesamten Team unser größter Respekt! Insgesamt vier Mal wurde das Stück in der Woche vom 7. Bis zum 11. November aufgeführt. Ein Kraftakt für alle Beteiligten.

Das Erlebnis „Auerhaus“ treffend zusammengefasst hat eine Mutter in einem facebook-Kommentar nach der Premiere: „Das Stück war ergreifend, erschreckend, laut, leise, langsam und rasant, die Schauspieler haben eine herausragende Leistung gezeigt und es von Beginn bis Ende geschafft, das Publikum zu fesseln [...]“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. „Auerhaus“ wird vorerst die letzte Inszenierung von Martina Auer am GEG sein. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge gibt sie nach langen Jahren und vielen erfolgreichen Aufführungen nun die Leitung der Theater-AG ab. Sie ist sich aber sicher, „die Möglichkeit Schüler so intensiv und in so vielen Facetten kennenzulernen, konnte es nur in der Theater-AG geben.“ Seit diesem Schuljahr leitet nun Matthias Eicks die jungen Schauspieler an, dem wir hiermit alles, alles Gute wünschen!