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"Kai aus der Kiste" am GEG- "Geil!"

Die gespannten Zuschauer in unserem Lichthof wurden durch eine wahrhaft bühnenreife Pressekonferenz sofort in den Strudel der Geschehnisse gezogen. Die beiden reichen Schokoladenfabrikantinnen, die Allan-Schwestern (Sara Senn, Amelie Scheu), waren extra aus den USA nach Berlin gereist, um den passenden „Reklamekönig“ für die Markteinführung ihrer beiden Schokoladenmarken „TAT“ und „TUT“ zu finden. Dieser müsse unglaublich kreativ und werbewirksam agieren, denn die beiden zielstrebigen „Schokoladenköniginnen“ wollen Millionen ihrer Schokoriegel in Deutschland verkaufen. Um diesen Posten im wahrsten Sinne des Wortes zu versüßen, bieten die zwei Süßwarenmagnatinnen ein ansehnliches Gehalt: 300 000 Euro…im Monat!

Dass ein solches Angebot auch windige Gestalten anzieht, versteht sich von selbst und so erscheinen gleich darauf der selbsternannte Reklamefachmann Alexander Kubalski, herrlich blasiert dargestellt von Tom Rauscher, und seine modebewusste aber oberflächliche Partnerin Fräulein Lydia (Annika Moschina) auf der Bühne. Beide sind sich sicher, den Job ohne Probleme an sich reißen und danach in Geld schwimmen zu können. Kubalski verspricht seiner Partnerin gar „eine goldene Kloschüssel.“

Doch haben die beiden Raubtierkapitalisten ihre Rechnung ohne die Straßenkinder der Hauptstadt gemacht. Die Bandenmitglieder von der „Weißen Hand“, angeführt vom gewitzten und rotzfrechen Kai (Fenna Haas), erscheinen urplötzlich und musikalisch untermalt vom gang-eigenen Musikthema „It’s a hard knock life“ aus unzähligen Hohlräumen unter der Bühne und verwandelt diese in einen brodelnden, hektischen Kinderkessel. Die Straßenkinder wollen auch ihren Teil vom Kuchen, besser gesagt von der Schokolade und beschließen, dass ihr Anführer Kai selbst „Reklamekönig“ werden soll, denn dann gebe es „jeden Tag Schokolade bis zum Umfallen.“

Um am Wettbewerb um den Titel „Reklamekönig“ teilnehmen zu können, muss Kai aber erst einmal zu den beiden reichen US-Ladys gelangen, die gut abgeschirmt im Edelhotel Imperator logieren. Doch Kai greift auf eine geradezu klassische List zurück und lässt sich von seinen Bandenmitgliedern in einer Art „trojanischen Kiste“, einem als Geschenk getarnten Koffer, in die Räume der beiden Allan-Schwestern schmuggeln und bietet ihnen eine Wette an, um sie von seinen Talenten zu überzeugen. Falls es ihm gelinge, dass die Ladys am folgenden Tag fünf Mal auf die „Weiße Hand“ angesprochen würden, dürfe Kai gegen den Werbefachmann Alexander Kubalski antreten. Nichts leichter als das. Kai mobilisiert die Straßenkinder der deutschen Hauptstadt und lässt die Berliner Innenstadt mit weißen Handabdrücken überziehen. Wette gewonnen!

Am Ende des ersten Aktes ist alles für den eigentlichen Reklamewettstreit bereitet. Wer nach Ablauf der gesetzten Frist 150 Punkte durch noch nie dagewesene Werbemaßnahmen erzielt, wird Werbekönig in Deutschland und streicht die königliche Gage von 300 000 Euro ein. Die Schwarze Hand soll den Schokoladenriegel „TUT“, Alexander Kubalski das Pedant „TAT“ bewerben. Der zweite Akt ist dann auch geprägt vom spannenden und harten Kampf zwischen Straßenkindern und Kubalski: David gegen Goliath, Kreativität gegen Professionalität, Solidarität gegen Egoismus. Der Werbefachmann Kubalski schreckt nicht davor zurück, fiese Tricks anzuwenden und setzt die Polizei auf Kai und seine Mitstreiter an. Aber die vom harten Leben auf den Berliner Straßen gestählten Kinder wissen sich zu helfen und schlagen zurück und lassen beispielsweise unzählige „TUT“-Flugblätter auf das überraschte Publikum im Lichthof des Gymnasiums herunterregnen. Wie der Wettstreit ausgeht, bleibt an dieser Stelle offen, denn etwaigen Romanlesern soll die Spannung natürlich erhalten bleiben.

Dem Leiter der Kleinen Bühne Christoph Nörr ist es wieder einmal gelungen gemeinsam mit allen Beteiligten ein phantastisches Bühnenerlebnis zu kreieren. Der Umstand, dass sich dieses Jahr dreißig Schülerinnen und Schüler für die AG angemeldet haben, beweist wie großartig Nörr und sein Team seit einigen Jahren agieren, stellte den Regisseur aber auch vor praktische Probleme: Wie soll man so viele Jungschauspieler sinnvoll und koordiniert auf die Bühne bringen? Doch Schwierigkeiten scheinen das Leitungsteam um Christoph Nörr, er wird von den beiden Oberstufenschülern Manuel Gaßner und Kim Kober unterstützt, nur zu beflügeln. Mit kreativen Einfällen, wie den beeindruckenden Berliner Straßenszenen vor dem Cafe Kranzler, wo Schuhputzer, Straßenhändler, Künstler, Polizisten und viele mehr gemeinsam im gesamten Publikumsraum agieren und das Geschehen kommentieren, wird den äußeren Umständen Rechnung getragen. Die Schülerinnen und Schüler haben ganz offensichtlich Spaß am Spiel und gehen voll in ihren Rollen auf, egal ob sie als unzufriedenen Polizisten („Ich wurde schon seit 13 Jahre nicht nicht befördert“) die Straßenbande jagen, oder als opportunistischer Portier Balluschka (Malin Vincent) zum Flachmann greifen, um den ganzen Stress zu verarbeiten.

Am Ende der Premierenvorstellung wollte der Applaus gar nicht mehr enden. Schulleiter Friedemann Schlumberger überreichte den Schauspielern passenderweise XXL-Schokoladentafeln und gratulierte dem ganzen Ensemble zu seiner wahrhaft großen Leistung. Die Antwort eines Jungschauspielers fasst den Abend dann auch geradezu perfekt zusammen: „Geil!“:

 

Ensemble:

Michelle Allbrand, Jannis Broß, Zeynep Cenik, Mia Digel, Johanna Durdel, Fenna Haas, Lena Hettich, Lara Hunger, Hannah Hüppop, Julia Jasch, Paul Kaletka,Benjamin Katzmaier, Lia Mögle, Annika Moschina, Tom Rauscher, Johanna Sauermann, Lea-Sophie Schell, Amelie Scheu, Elisa Giulia Schipper, Klara Schütze, Merle Schwaigerer, Sara Senn, Peter Sommer, Janis Steger, Andrii Velytsky, Malin Vincent, Leonie Werni, Anastasia Wiedmann, Dilara Yavuz.