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Vom paradiesischen zum erlernten Frieden- Das kurzweilige Apfelkomp(l)ott der Unterstufen-Musical-AG

Julia Brauch

Die Dorfältesten sind fassungslos, wie schnell plötzlich eine Mauer mit Schlagbaum beide Seiten trennt, die sich nun mit martialischen Fahnen und Mistgabeln aufgehetzt gegenüberstehen. Die Früchte des einst verbindenden Bäumchens werden zum sinnbildlichen Zankapfel. Die Handlung lässt zumindest die Erwachsenen in der berstend vollen Mensa mit leisem Bauchgrimmen die Parallelen zur Wirklichkeit erkennen: Allzu bekannt wirken inzwischen der Ruf nach einem scheinbar alternativlosen Mauerbau und die „Mein Dorf zuerst!“-Parolen. Die Botschaft dieses mehrsprachigen Musicals von Andreas Schmittberger ist jedoch optimistisch: Die beiden Dorfältesten erinnern die Menschen an den ehemals gemeinsam umhegten Apfelbaum, und die Sehnsucht nach dem verlorenen Frieden führt die Streithähne schließlich bei einem neuen Fest beider Dörfer wieder unter jenem Baum zusammen, der nicht nur genügend Äpfel für alle spendet, sondern – das müssen sich alle eingestehen – auch identitätsstiftendes Kulturgut ist.

Mit einem feinen Sinn für aussagekräftige Details wie dem wiederkehrenden Kopfschütteln der Dorfältesten inszeniert Regisseurin Dorothea Hirschfeld diese anspielungsreiche Ökomödie, durch die eine Erzählerin das Publikum begleitet. Gesprochene Szenen wechseln sich trotz einer großen Zahl an Akteuren reibungslos ab mit Liedern in Folk-, Disco- und Marschmusik. Eine sprachlich und musikalisch eingängliche Gemeinschaftsarbeit, die sich um ein minimalistisch durchdachtes Bühnenbild mit liebevoll gestalteten Requisiten von Ekkehard Hirschfeld und Gesine Goldberg samt Basisfach 12 Kunst entspinnt. Mit der 5b hat Goldberg außerdem zauberhaft handgemachte Plakate entworfen, die sich der bulligen Ästhetik moderner Theaterplakate bewusst entziehen.

Die Musik studierte Daniela Cremer so text- und tonsicher ein, dass die spürbar begeisterten Kinder sich trotz melodisch und rhythmisch anspruchsvoller Lieder immer auf das Schauspiel konzentrieren konnten. Zusammen mit Cellistin Johanna Klöpping begleitete Konzertpianistin Cremer den Abend einfühlsam vom Flügel aus. Die souveräne musikalische Leitung spiegelt sich im dynamisch und im Tempo differenzierten Gesang der Schüler wider.

Die lebhafte Ensembleleistung der Truppe besticht vor allem durch ihre unbändige Spielfreude, deren Funke rasch auf das Publikum überspringt, zum Beispiel beim Outdoor-Rap, der frenetischen Zwischenapplaus bekommt. Zur künstlerischen Qualität des Abends trägt nicht zuletzt der Mut von Daniela Cremer und Dorothea Hirschfeld bei, die Schüler:innen trotz der Größe der Mensa ohne Mikrophone auf die kleine Bühne zu schicken. Dank einer ausdauernd einstudierten klaren Artikulation lässt sich selbst auf den Stehplätzen am anderen Saalende jedes gesungene und gesprochene Wort mühelos verstehen und die Akteur:innen können sich mit freien Händen und freiem Kopf auf den Theaterzauber konzentrieren. Hut ab!

Der Clou der Aufführung lässt sich erst mit ein wenig Abstand erkennen: Denn eben dieses Wechselbad der Gefühle, das die Apfelwiesenanrainer durchleben, haben auch die Unterstufeschüler:innen der Musical-AG erfahren, als sie in den letzten Monaten wöchentlich zu Proben zusammengefunden und dabei unterschiedlichste Herausforderungen bewältigt haben. Das Ergebnis ist ein wunderbar unterhaltsamer Abend, der das Publikum nicht nur mit einem textsicheren, pannenfreien und stimmig choreographierten Ablauf verwöhnte, sondern allen Beteiligten eine Gemeinschaftserfahrung von unschätzbarem Wert bescherte. Die erste selbständige Musical-Aufführung am GEG macht jetzt schon Vorfreude auf die nächste Inszenierung.